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Ein Biomassekraftwerk in Wilhelmshaven?
Stellungnahme der S4F Wilhelmshaven-Friesland zum geplanten Biomassekraftwerk in Wilhelmshaven,
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Ein Biomassekraftwerk in Wilhelmshaven?

 Umrüstung des Onyx-Kraftwerks von Kohle auf Holz

 

Der Kraftwerksbetreiber Onyx plant, sein Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven auf Biomasse umzurüsten1. Dabei soll im Kraftwerk nach der Umrüstung Holz bzw. Holzpellets statt der Steinkohle verbrannt werden, um Strom zu erzeugen. Das Holz bzw. die Pellets sollen aus Abfällen der Holzwirtschaft (Tischlereien, Bauwirtschaft usw.) oder aus beschädigten Frischhölzern der Forstwirtschaft stammen. Onyx behauptet, die Verbrennung der Pellets sei klimaneutral, da andernfalls das im Holz gebundene CO2 beim Verrotten ohnehin freigesetzt würde. Aufgrund dieser Argumentation wird eine Förderung aus Steuergeldern angestrebt.

 

Das Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven ist allerdings nicht das einzige Kraftwerk, bei dem das geplant ist. Onyx und andere Kraftwerksbetreiber haben zurzeit vor, mindestens sieben Kohlekraftwerke in Deutschland auf Biomasse, also Holz, umzurüsten.

 

 

 

     Kohlekraftwerk von Onyx in Wilhelmshaven.

 

Die Umrüstung des Kohlekraftwerks von Onyx in Wilhelmshaven zu einem Biomasekraftwerk macht sowohl aus

klimapolitischer als auch aus energietechnischer Sicht keinen Sinn. Es ist offensichtlich, dass der benötigte Brennstoffbedarf nicht aus bislang ungenutztem Altholz oder Waldrestholz gedeckt werden kann. Wahrscheinlich wird es so sein, dass die benötigten Holzpellets wie bei dem Biomassekraftwerk Drax in Großbritannien, importiert werden müssen und diese durch Abholzung bestehender Wälder hergestellt werden. Dieses Vorgehen würde aber zu erheblichen zusätzlichen CO2-Emissionen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten führen und eine Einhaltung des Klimaschutzabkommens von Paris weiter erschweren. Im Gegenteil, der Klimawandel würde im wahrsten Sinne des Wortes zusätzlich befeuert. Selbst wenn die abgeholzten Flächen wieder aufgeforstet würden, würde es Jahrzehnte brauchen, bis die CO2 Menge wieder in den nachwachsenden Bäumen gespeichert würde. Um den fortschreitenden Klimawandel aufzuhalten, müssen wir aber bereits in den nächsten Jahren die menschengemachten CO2 Emissionen drastisch senken und auf null zurückfahren.

 

Damit das Biomassekraftwerk für Onyx wirtschaftlich betrieben werden könnte, müssten erhebliche Fördergelder in dreistelliger Millionenhöhe, nicht nur für die Umrüstung, sondern auch für den jährlichen Betrieb an Onyx bezahlt werden. Damit würden die Kosten für die kWh Strom bei dem Biomassekraftwerk etwa doppelt so hoch sein wie bei neuen Windenergie- und Solaranlagen.

 

Bei einer Erzeugung von Wasserstoff durch das Biomassekraftwerk würde der Wirkungsgrad noch weiter herabgesetzt werden. Mehr als 70 % der ursprünglichen Energie des Holzes würde ungenutzt den Jadebusen und die Nordsee aufheizen. Wasserstoff sollte nur durch überschüssige Wind- und Solarenergie erzeugt werden, wozu der massive Ausbau von Windenergie- und Solaranlagen und der Netze notwendig ist. Der chemische Energiespeicher Holz würde in einen anderen (Wasserstoff) umgewandelt mit Verlusten von über 70%. Das erscheint irrwitzig – schließlich kann auch Holz saisonal gelagert und bedarfsabhängig verstromt werden. Deutlich effizienter ist stattdessen der direkte Einsatz von Restholz zur Wärmegewinnung in der Industrie, wie ihn das Umweltbundesamt empfiehlt (s.u. 4).

 

 

Das Kohlekraftwerk

Das Onyx-Kraftwerk in Wilhelmshaven ist ein erst 2015 in Betrieb genommenes Steinkohlekraftwerk mit einer maximalen elektrischen Leistung von 731 Megawatt2 und einem elektrischen Wirkungsgrad von 46 %. In diesem Kraftwerk werden in Spitzenzeiten 200 Tonnen Steinkohle pro Stunde verfeuert3. Die im Kraftwerk anfallende Wärme wird nicht genutzt, sondern wird über den Jadebusen in die Nordsee abgeleitet.

 

 

Die Brennstoffe

Holz ist prinzipiell ein nachwachsender Rohstoff: die Bäume nehmen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft auf und bauen es in ihre Substanz ein. Das schützt das Klima jedoch nur, wenn der Kohlenstoff weiterhin gebunden bleibt, z.B. in Bauholz, Dämmstoffen, Möbeln, auch in Totholz im Wald sowie im Boden, in dem sich Humus anreichert. Es wird sogar diskutiert, den Kohlenstoffspeicher Holz unterirdisch zu lagern, um die Kohlendioxidlast der Atmosphäre zu vermindern. Auch eine Zunahme an Waldflächen und das Heranwachsen der Bäume wirken gegen den Klimawandel.

 

“In einer klimaneutralen Zukunft wird Altholz und Waldrestholz nur noch als Rohstoff und für die Wärmeerzeugung in der Industrie zur Verfügung stehen“, stellt das Umweltbundesamt fest4. Wenn daneben Restholz im Wald verbleibt, führt das zu einer Anreicherung der Totholzvorräte und damit auch zur Erhöhung des Kohlenstoffspeichers im Boden. Zudem spielt Totholz eine sehr wichtige Rolle im Ökosystem des Waldes. Totholz und abgestorbene aber noch stehende „Habitatbäume“ bilden die Lebensgrundlage vieler Lebewesen und tragen erheblich zur Artenvielfalt bei. Auch der von der Bundesregierung eingerichtete Waldklimafonds fördert den Erhalt und Ausbau des Waldes als Kohlenstoffsenke.

 

Wie die Kohlenstoffinventur des Instituts für Waldökosysteme ergab, hat der Wald in Deutschland 2012 bis 2017 durch Holzzuwachs und Bindung von CO2 im Boden die Atmosphäre um 62 Mio. t CO2 jährlich entlastet und damit 7% unserer CO2-Emissionen kompensiert5. Viele Aufforstungsprojekte wurden bereits gestartet, um Klimabelastungen auszugleichen. Bei Holz, das verbrannt wird, fällt diese Kompensation weg. Zudem ist nicht sicher, ob und wann Nachpflanzungen überhaupt eine Abholzung wieder ausgleichen können, da unter dem Einfluss des Klimawandels verstärkt Waldschäden auftreten. So war in den deutschen Wäldern die Absterberate 2020 überdurchschnittlich hoch6. Bei weiter steigenden Temperaturen und Trockenheit ist mit zusätzlichen Dürreschäden zu rechnen.

 

Die Herkunft von Holzpellets

Grundvoraussetzung für einen klimafreundlichen Betrieb des geplanten Biomassekraftwerkes ist eine ausschließliche Verwendung von klimafreundlich erzeugtem Holz. Wenn Bäume gefällt und verbrannt werden, setzt das sofort viel CO2 frei. Heranwachsende Bäume brauchen aber 50-80 Jahre, um dieses CO2 wieder zu binden. In dieser Zeit sind die CO2-Emissionen erhöht, was den Klimawandel anfeuert. Im Vergleich zur Verbrennung verrottet Holz viel langsamer. Klimaschutz ist mit Holzverbrennung nicht möglich, klimaneutral kann sie nur in geringer Menge sein, sofern im gleichen Zeitraum entsprechend viel Holz nachwächst. Für nachhaltig bewirtschaftete Waldflächen ist deshalb der jährliche Holzertrag auf etwa 7,2 Festmeter pro ha begrenzt7. Wird dem Wald mehr Holz entnommen, kippt die Klima- und Ökobilanz.

 

Für das Kraftwerk in Wilhelmshaven werden laut Onyx jährlich etwa 1 bis 1,2 Mill. Tonnen Holzpellets benötigt, das entspricht 2 bis 2,5 Millionen Festmetern Holz8. Das Kraftwerk würde damit zwischen 280.000 und 350.000 ha Waldfläche benötigen, das das entspricht der Flächengröße des Saarlands.

 

Aus Deutschland kann diese Menge Holz nicht kommen. Der Holzmarkt ist schon jetzt angespannt. Hier produzierte Pellets aus Restholz der Sägewerke werden hauptsächlich in kleinen Heizungsanlagen verbraucht.

 

Laut Onyx soll das Biomassekraftwerk unter anderem durch Abfälle der Holzwirtschaft betrieben werden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass dort auch vorbelastetes Altholz verwendet werden würde, würde die in Deutschland anfallende Menge aus Altholz und weiteren Abfällen der Holzwirtschaft kaum ausreichen, da diese bereits zurzeit in bestehenden Kraftwerken wie z. B. Sperrmüll in Altholzkraftwerken oder Müllverbrennung vollständig genutzt werden. Onyx würde somit anderen Anlagen die bisher verwendeten Altholzmengen wegnehmen.

 

Es müsste Holz in großem Stil importiert werden. Nicht umsonst liegen die meisten Kraftwerke, die auf Holzverbrennung umgerüstet werden sollen, in Hafenstädten wie Bremen, Hamburg, Rostock. Der Holzpelletbrennstoff für das Biomassekraftwerk Drax in Großbritannien wird in den USA durch großflächigen Kahlschlag alter Wälder gewonnen - in einem Biodiversitäts-Hotspot9, d.h. einem Gebiet mit besonders vielen nur dort vorkommenden Arten. Einer der größten Pellethersteller in den USA ist Enviva, ein Konzern, der zusammen mit dem Kraftwerksbetreiber Onyx zum Riverstone-Konzern gehört10. Der Holzhunger Dänemarks zur Energieerzeugung gefährdet die Wälder im Baltikum, wie 32 Naturschutzorganisationen beklagen11.                                                                                                     

 

 Gleiches ist auch hier zu erwarten. Durch Kahlschlag, Bodenverwüstung und den langen Transport auf dem Seeweg entstehen zusätzliche Treibhausgasemissionen.

 

Wälder sind weltweit bedroht, ihr Bestand hat in den vergangenen 30 Jahren um 178 Millionen Hektar abgenommen12, Zunehmende Nachfrage erhöht den Druck auf naturnahe Wälder Hunderte von Wissenschaftlern haben daher in einem Brief führende Persönlichkeiten der USA, der EU und weiterer Industriestaaten aufgefordert, die Klimaschutzziele und Biodiversität nicht durch Verbrennung von Bäumen zu Energieerzeugung zu unterminieren13.

 

 

Der Wirkungsgrad

Bei Verbrennung entsteht Wärme, die nicht für die Stromerzeugung nutzbar ist. Wenn sie nicht in ein Wärmenetz, zum Beispiel für Heizungen oder Industrie, eingespeist wird, geht diese Energie verloren. In Wilhelmshaven wird Kühlwasser aus der Jade entnommen und wieder zugeführt. Bei einem elektrischen Wirkungsgrad des Biomassekraftwerkes von ca. 40 % gehen damit etwa 60 % der eingesetzten Energie als Wärme ins Nordseewasser. Ein Fernwärmesystem ist hier nicht vorhanden.

 

Vor dem Hintergrund, dass Biomasse eine sehr knappe und wertvolle Ressource darstellt, erscheint die Verfeuerung in diesem Kraftwerk damit als nicht tragbar

 

 

Wasserstoffproduktion durch das Biomassekraftwerk

Wasserstoff bietet die Chance zur Dekarbonisierung von Prozessen in Industrie und Verkehr, in denen der direkte Einsatz von Strom bis auf weiteres nicht möglich ist. Beispiele sind die Stahlproduktion, weite Bereiche der chemischen Industrie sowie der Schwerlast- und Flugverkehr. Als chemischer Energiespeicher ermöglicht Wasserstoff zudem eine saisonale Speicherung von regenerativen Energien, z.B. in Salzkavernen.

 

Grundvoraussetzung für eine positive Klimabilanz von Wasserstoff ist allerdings, dass der zur Herstellung eingesetzte Strom aus regenerativen Quellen stammt - es sollte also Grünstrom eingesetzt werden. Solange dieser aber sowohl national als auch international nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, gilt es den Wasserstoff mit der höchstmöglichen Effizienz herzustellen. Bei der Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff beträgt der Wirkungsgrad zwischen 60% und 70 % der eingesetzten elektrischen Energie. Aufgrund des geringen Wirkungsgrades von 40% des geplanten Biomassekraftwerkes, blieben von der ursprünglich im Holz enthaltenen Energie damit weniger als 30 % in Form von Wasserstoff übrig.

 

 

Die Kosten

Die Umrüstung des bestehenden Kohlekraftwerks in ein Biomassekraftwerk soll laut Onyx bis max. 169 Mill. € kosten, wobei Onyx hier auf die Unterstützung durch die Steuerzahler setzt.

 

Allerdings ist abzusehen, dass eine weitere Förderung für jede eingespeiste kWh nötig ist. So wird z. B. das Biomassekraftwerk Drax in Großbritannien mit umgerechnet. 5,2 Cent pro kWh gefördert. Onyx selbst gibt an, sie bräuchten eine Förderung von ca. 3 bis 4 Cent pro kWh. Geht man nur von dieser Zahl aus und unter Voraussetzung der von Onyx angegebenen Pelletmenge, ergibt sich ein jährlicher Förderbetrag von ca. 100 Mill. €.

 

 

Die Arbeitsplätze

Laut Angaben von Onyx arbeiten zurzeit ca. 80 bis 90 Mitarbeiter im Steinkohlekraftwerk Wilhelmshaven. Hinzu kommen noch externe Dienstleister, so dass von insgesamt 200 Arbeitsplätzen ausgegangen werden könne.

 

Diese Zahlen sollten in Relation zu den Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien gesetzt werden. Durch den erheblichen Rückgang der neu aufgestellten Windenergieanlagen sind allein in unserer Region in den letzten Jahren ca. 3500 Arbeitsplätze in der Windenergieindustrie weggefallen, bundesweit waren es ca. 60.000 Arbeitsplätze seit 2016.

 

Durch den notwendigen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik im Rahmen der Energiewende sind bis 2030 mindestens 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze in diesem Bereich nötig, ein erheblicher Teil davon in unserer Küstenregion. Das Problem wird sein, woher die Arbeitskräfte kommen können. Wir werden voraussichtlich einen großen Mangel an Arbeitskräften haben, da wird jede Arbeitskraft aus der Kohleindustrie herzlich willkommen sein.